Posts Tagged ‘Theorie’

Zeitschrift Bauhaus 8: „Bewegung“

29. November 2016

bauhaus08Die Zeitschrift Bauhaus (Nr. 8) nimmt die „Bewegung“ als Konstante der Moderne in den Fokus. Das neue Heft erscheint am 4. Dezember 2016.

In vier Kapiteln nimmt die neue Ausgabe der Zeitschrift die bewegte Gesellschaft in den Blick und führt den Leser über die 1920er Jahre zu den heutigen Stätten des Aufbruchs. Anzutreffen sind Paul Klee beim Überwinden der Schwerkraft, die Choreografin Sasha Waltz und die Experimente des Bauhaus-Fotografen UMBO sowie das Bauhaus als internationale Praxis zu Exil, Migration und kulturellem Austausch.
Tempo, Tempo! Eine zuvor nie dagewesene Moderne prägte die 1920er Jahre. Und das Bauhaus war mittendrin. Sein Entwurf für eine Moderne forderte von allen, sich aus der Erstarrung zu lösen und Neuland zu betreten.

Die jetzt frisch erschienene Ausgabe nimmt diese Bewegtheit und Geschwindigkeit in den Blick. Und folgt damit den Themensetzungen der Stiftung Bauhaus Dessau, deren Jahresprogramm 2016 unter der Überschrift „Bewegung“ stand. Gleichzeitig ist das Heft selbst ein Beitrag zum Jahresprogramm, denn Bauhaus 8 verbindet die historische Reflexion mit zeitgenössischen Positionen von international arbeitenden Gestaltern, Wissenschaftlern, Künstlern, Publizisten, Akrobaten, Choreografen, Kuratoren, Fotografen und anderen.

Zeitschrift Bauhaus 8 „Bewegung“, Dezember 2016. Herausgeber: Stiftung Bauhaus Dessau. Verlag: Spector Books, Leipzig 2016. Gestaltung: Herburg Weiland, München. Redaktion: EINSATEAM, Berlin und Stiftung Bauhaus Dessau (160 Seiten, ISBN 978-3-95905-105-7 (deutsch), ISBN 978-3-95905-124-8 (englisch)). Preis: 12,- € (+ Porto).
Bauhaus 8 ist in gut sortierten Buchhandlungen und in Museumsshops erhältlich. Onlinebestellung direkt beim Verlag unter mail(ätt)@spectorbooks.com.

An die Arbeit! Die ITH-Tagung diskutierte in Berlin über Arbeit und Nichtarbeit

1. Oktober 2015

Von Ralf Hoffrogge (Bochum/Berlin)

Arbeit, Arbeitskämpfe, Arbeiterbewegung – seit dem 19. Jahrhundert sind dies zentrale Begriffe, die „soziale Frage“ oder „Arbeiterfrage“ wurde beantwortet durch Sozialreform wie Sozialismus und definierte damit neue Achsen politischen Denkens. Doch was ist eigentlich Arbeit? Diese Frage stellten sich Historikerinnen und Historiker auf der ITH, der „International Conference of Labour and Social History“, die vom 17-19. Dezember in Berlin stattfand.

Die seit 1964 jährlich stattfindende „Linzer Konferenz“ der „HistorikerInnen der Arbeiter- und anderer sozialer Bewegungen“ musste wegen Renovierungsarbeiten ihren Tagungsort in Österreich räumen, fand aber im Wissenschaftszentrum Berlin am Reichpietschufer einen würdigen Ersatz. Die Straße ist benannt nach Max Reichpietsch, Anführer der Matrosenrevolte von 1917 und Märtyrer der Arbeiterbewegung. Doch war Reichpietsch Arbeiter? Vom Milieu her vielleicht, von der Profession wohl kaum – ein Zwangsdienst leistender Matrose produziert keinen Mehrwert, nackter Zwang „motiviert“ ihn zu seiner Tätigkeit. Diesen Zwang, der in Form von Wehrpflicht, Arbeitslagern und anderen Repressalien die sogenannte „freie Lohnarbeit“ immer begleitete, wenn nicht hervorbrachte, untersuchte die ITH bereits im Jahr 2014. Nun schritt man voran zur Generaldebatte und fragte, was „Arbeit“ eigentlich ist. Im Zentrum stand das Bemühen, den klassischen Focus sowohl marxistischer als auch neoklassischer Theorien auf warenförmige Lohnarbeit auszuweiten, Arbeitsformen und Arbeitende einzubeziehen, die bisher unter den Tisch fielen. (more…)

Zum Tod von Stuart Hall (1932-2014)

11. Februar 2014

Stuart Hall (1932-2014), Quelle: Wikimedia Commons

Gestern starb Stuart Hall, Medienwissenschaftler, postkolonialer Kulturkritiker, Historiker und Anti-Rassismus-Aktivist im Alter von 82 Jahren. Der Guardian veröffentlichte einen ausführlichen Nachruf plus einer Reihe von älteren Beiträgen und Interviews.

Neben einer Liste seiner Werke finden sich auf der englischen Wikipedia Links zu Interviews und Videomitschnitten seiner Vorlesungen.

Jetzt anmelden zum 2. Workshop Kritische Geschichte in Berlin

29. Dezember 2011

Noch gute zwei Wochen Zeit, um sich für den 2. Workshop Kritische Geschichte anzumelden. Ein paar Sätze zum Programm, das auf der Webseite von reflect! nachgelesen werden kann.

Beim Workshop vor einem Jahr flogen jede Menge Begriffe durch den Raum (Klasse, Alltagsgeschichte, Gender, Historischer Materialismus…) zu denen unvermeidlich Fragen aufkamen: Was bedeuten die Begriffe eigentlich genau, was kann ich damit konkret in meiner Arbeit anfangen, wer sind die Namen dahinter, welche Schulen gibt es da, wo kann man denn was nachlesen und so weiter. Deswegen gibt es einen Tag mit kurzen Einführungen. Um die Themen Klasse und Gender werden die Ansätze des Historischen Materialismus, des Postkolonialismus und der Alltagsgeschichte aufgezeigt. Gedacht als Hilfe zur Selbsthilfe: Was sind die Grundprobleme und was gibts an brauchbarer Literatur dazu.

Am zweiten Tag gibt es parallele Panels mit Projektvorstellungen zu Didaktik sowie Theater und Geschichte. Da bin ich persönlich auch schon sehr gespannt drauf.

Der Workshop ist schon deswegen interessant, weil man viele Leute mit spannenden Themen kennenlernt und wiedertrifft. Es gibt viel Austausch über Projekte. Ja. Es lohnt sich. Deswegen einfach anmelden und hinfahren. Avanti, avanti.

Im Handgemenge der Vergangenheit: Ellen Meiksins Wood

31. Juli 2011

Ellen Meiksins Wood

Bereits vor einem Jahr erschien die deutsche Ausgabe von Ellen Meiksins Wood Democracy against Capitalism. Renewing historical materialism. Um es vorweg zu nehmen: Das Buch enthält mit dem Beitrag Klasse als Prozess und Verhältnis einen elementaren methodischen Text für Sozialwissenschaftler(innen) im allgemeinen und Historiker(innen) im Besonderen – nicht zuletzt weil darin der Ansatz des Historikers E. P. Thompson erläutert und weitergeführt wird.

Doch zuvor ein paar Zeilen zum Buch selbst. Das Original erschien 1995 und war schon damals eine Zusammenfassung verschiedener Essays, die Wood zwischen 1981 und 1994 publiziert hatte. Insofern überrascht es nicht, dass die Texte in Democracy against Capitalism ein Zeugnis bereits zurückliegender innermarxistischer Debatte sind.

Deshalb wirkt das Buch zumindest aus heutiger Sicht etwas oldfashioned und ist es zum Teil auch. Wood arbeitet sich an Louis Althusser, Max Weber und anderen alten Männern der Sozialtheorien ab. Das erscheint streckenweise weniger als Erneuerung des historischen Materialismus, denn als Wiederaufnahme alter Schlachten. Im Nachhinein betrachtet wäre es schon in den 1980ern produktiver gewesen, frisch an das Thema heranzugehen und den alten Granden nicht soviel Raum zu geben. Vor allem, wenn man sich von ihnen distanzieren will. Aber die Herren waren damals wohl zu dominant.

Probleme des ahistorischen strukturalistischen Marxismus

Die deutsche Ausgabe lohnt sich aber schon wegen dem Beitrag Klasse als Prozess und Verhältnis. Ellen Meiksins Wood versucht darin, aus dem Werk E.P.Thompsons eine Klassentheorie herauszufiltern. Und sie stellt dabei Thompsons Ansatz dem strukturalistischen Marxismus gegenüber. Wood nimmt Thompson gegenüber Althusser und seinen Verteidigern in der New Left  in Schutz. Ihre intellektuellen Opponenten haben klingende Namen wie Stuart Hall, Perry Anderson oder Nikos Poulantzas. (more…)

Susan Buck-Morss denkt – jetzt auf deutsch – über eine neue Universalgeschichte nach

22. Juni 2011

Christian Frings bespricht in der neuesten analyse & kritik das Buch von Susan Buck-Morss Hegel und Haiti – Für eine neue Universalgeschichte, das gerade in einer deutschen Ausgabe erschienen ist. Zitat:

Um diese Frage kreist das Bändchen „Hegel und Haiti“ von Susan Buck-Morss: Wie können wir Universalgeschichte angesichts der Tatsache denken, dass jeder Universalismus zu Recht sofort unter dem Verdacht stehen muss, das eurozentrische Bild der westlichen Überlegenheit zu transportieren.

Und der Ankündigungstext meint:

1791 revoltierten die Sklaven von Saint Domingue, dem heutigen Haiti, unter Absingen der Marseillaise gegen die französischen Kolonialherren. Die »schwarzen Jakobiner« bewiesen so die Unteilbarkeit der Aufklärung. Diese im Okzident verdrängte Geschichte Haitis wird derzeit angesichts zunehmender weltweiter Ungleichheit wiederentdeckt. Anknüpfungspunkte dafür finden sich ausgerechnet bei Hegel, der die Ereignisse in der Karibik verfolgte. Seine Überlegungen zum Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft lesen sich wie ein Kommentar zum Geschehen – ohne daß Haiti mit einem Wort erwähnt würde. Susan Buck-Morss konfrontiert Hegels Interesse mit seiner Philosophie und skizziert die Grundlinien einer neuen Universalgeschichte.

Klingt zumindest vielversprechend.

E. P. Thompson zur Analyse gesellschaftlicher Veränderung (1977)

30. Mai 2011

Wie wäre es mit einem kleinen Seminar mit dem britischen Historiker E.P.Thompson? Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1977 über Wege gesellschaftlicher Veränderungen.

Thompson setzt sich im ersten Teil kurz mit den Erklärungsmodellen des Positivismus und des Strukturalismus auseinander. Und kommt zum Schluss, dass letztlich die anspruchsvollste analytische Darstellung eines Änderungsprozesses in seinem ganzen Ausmaß nur in erzählender Geschichte umgesetzt werden könne. (more…)

Einführung zu Immanuel Wallerstein

23. Januar 2011

Wallersteins Weltsystem Analyse gehört heute zum Handwerkszeug in der soziologischen Theorie und ist auch für die historische Analyse unentbehrlich geworden. Wer sich aber bislang mit Wallersteins Ansatz vertraut machen wollte, war darauf angewiesen, sich mühsam durch das umfangreiche Werk durchzuarbeiten.

Nun hat der Lüneburger Wirtschafts- und Betriebssoziologe Lutz Zündorf eine sehr gute, systematische Einführung geschrieben, die alle wesentlichen Ansätze Wallersteins präsentiert. Zündorf arbeitet dabei die große Innovationskraft der Wallersteinschen Weltsystem Analyse heraus, trägt aber auch Kritik an der Makrotheorie zusammen. Am Ende liefert Zündorf viel mehr als eine „Einführung“. Er setzt sich intensiv und kritisch mit dem Werk bis in die aktuellsten Debatten hinein auseinander.

Mit den historiographischen Abhandlungen in Wallersteins dreibändigem Hauptwerk „Das moderne Weltsystem“ kann Zündorf leider nichts anfangen, obwohl ich diese für bemerkenswert halte. Aber das tut dem gelungenen Buch keinen Abbruch.

Zündorf, Lutz (2010): Zur Aktualität von Immanuel Wallerstein. Einleitung in sein Werk, VS Verlag, Wiesbaden.

Vier Dimensionen der Gerechtigkeit für eine kritische Geschichte

2. Oktober 2010

Es gibt in letzter Zeit verschiedene Versuche, die die großen Einzelthemen der politischen Linken in einem Programm zu bündeln. Ein sehr interessanter Ansatz ist Frigga Haugs Vier-in-einem-Perspektive, einer Utopie zur gerechten Verteilung von Erwerbsarbeit, Familienarbeit, Gemeinwesensarbeit und Entwicklungschancen.

Ich möchte für uns hier einen anderen Gedanken einbringen. Bei den Überlegungen zu einem – nicht geschriebenen – Artikel über Global- und Weltgeschichte fiel mir auf, dass von der Aufklärung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts von sozialen Bewegungen vier große Themen artikuliert wurden. Im 18. und 19. Jahrhundert die politische Freiheit und die soziale Gleichheit. Im 20. Jahrhundert kamen die Freiheit zur kulturellen und sexuellen Selbstentfaltung, sowie um den Schutz der ökologischen Grundlagen dazu. Die Geschichtsschreibung hat diese Themen auch im Kontext der großen Bewegungen und Herausforderungen nach und nach „entdeckt“.

Alle diese Themen bedingen einander und sind Bestandteile einer umfassenden  Programmatik für die historische Entwicklung einer menschlichen Gesellschaft. Man kann diese Themen auch in einem Schema anordnen.

Gesellschaftliche Verhältnisse zur Sicherung individueller Freiheit Gesellschaftliche Verhältnisse zur Sicherung der Zugangs zu  Ressourcen
Mensch als gesellschaftliches Wesen in einer von ihm geschaffenen, „künstlichen“ Umwelt Politische Freiheit
(z.B. Meinungsfreiheit, Rechtstaatlichkeit und Demokratie)
Soziale Gleichheit
(z.B. Grundeinkommen, demokratische Kontrolle der ökonomische Reproduktion)
Mensch als Naturwesen mit seinen historisch-anthropologischen Ausprägungen in der physischen Umwelt Freiheit der kulturellen und sexuellen Selbstentfaltung
(z.B. Ende der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts)
Ökologische Gleichheit
(z.B. Sicherung der ökologischen Grundlagen und gesundheitlichen Lebensbedingungen, Schutz der Mitlebewelt

Vielleicht ist diese Matrix zu grob. Sie orientiert sich an den Postulaten der Freiheit und der Gleichheit. Aber sie erscheint mir brauchbar, um die einzelnen gesellschaftskritischen historiographischen Strömungen einzuordnen.

Der bürgerliche Staat – Thesen zur historischen Entwicklung

14. Dezember 2009

H. Gerstenberger, Q: Dampfboot Verlag

Die Beschäftigung mit Staat und Staatstheorien hat spätestens dann Konjunktur, wenn Emanzipationsbewegungen Zugriff auf die Institutionen staatlicher Gewalt erhalten und entsprechende Hoffnungen in „den Staat“ setzen. Dieser Nachfrage begegnet jetzt der lesenswerte Reader Staatsfragen. Einführungen in die materialistische Staatskritik, herausgegeben von der Associazione delle Talpe und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen.

Die gängigen Staatstheorien müssen aber durch sozialgeschichtliche Forschung geerdet werden. Denn

  1. lassen sich erst aus der Bestimmung der konkreten historischen und sozialen  Situation  konkrete und begründbare Handlungsoptionen aufzeigen,
  2. ist die historische Forschung ein gutes Korrektiv für Simplifikationen.

Ein hervorragendes Beispiel liefert hierzu der Beitrag von Heide Gerstenberger, eine gesellschaftspolitisch aktive Historikerin, die sicher dem einen oder anderen schon lange bekannt ist – für mich persönlich eine Entdeckung. In ihrem Artikel „Der bürgerliche Staat“ liefert sie „Zehn Thesen zur historischen Konstitution einer spezifischen Form moderner Staatsgewalt.“ (more…)