An den Universitäten verbringt der Historikernachwuchs viel Zeit mit der Klärung, was wissenschaftliches Arbeiten ist, wie man korrekt mit Quellen umgeht und welche wissenschaftlichen Texte es generell gibt. Eine Auseinandersetzung damit, wie Texte angelegt sein können, um Handlungsalternativen wissenschaftlich diskutierbar zu machen, ist im etablierten bürgerlichen Wissenschaftsapparat eigentlich kein Thema. Es gibt aber ein paar Darstellungsformen, die für eine eingreifende Wissenschaft besonders wichtig sind
Die erste Form möchte ich als historisch-kritische Darstellungsform bezeichnen. Die historisch-kritische Form versucht Entwicklungen nachzuzeichnen, wobei zeitgenössische Aporien, Kontroversen, aber auch ausgeschlagene Möglichkeiten im Mittelpunkt stehen. Ein Beispiel für die historische Form sind aus meiner Sicht die Einträge im Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus (HKWM). Dort geht es, wie auch bei den Geschichtlichen Grundbegriffen (1972-1997), nicht um exakte, überzeitlich gültige Begriffsdefinitionen, sondern um die Rekonstruktion eines Problems. Die Einträge beginnen im Trailer mit einem Problemaufriss. Darin wird die Relevanz und die Aktualität für heutige Emanzipationskämpfe erläutert. Das erkenntnisleitende Interesse wird deutlich. Der anschließende historische Teil führt entlang der verschiedenen Epochen das Problem aus und setzt es in den jeweiligen historisch-sozialen Kontext. Erwünscht ist dabei, so die Herausgeber, ein „stereoskopischer Effekt“. Der online verfügbarer Beispielartikel „Indische Frage“ kann einen groben Eindruck des allgemeinen Aufbaus vermitteln. (more…)