Posts Tagged ‘Biographie’

Tresantis (Hg.): Die Anti-Atom-Bewegung. Geschichte und Perspektiven; 2015

28. Februar 2016

Anti_Atom_Cover__Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten in NRW ist es eine Meldung wert: Im Dreiländereck, kurz hinter Aachen, knapp 100 Kilometer süd-westlich von Düsseldorf, steht auf belgischer Seite in Tihange ein vor sich hin rottendes Atomkraftwerk – in trotz Sicherheitsbedenken bald wieder voller Nutzung. Die Büchse der Pandora direkt vor der Haustür. Die Städteregion Aachen hat jüngst beschlossen, gegen jeden weiteren Betrieb des AKW zu klagen. Zeit, sich über Geschichte und Perspektiven einer autonomen Anti-AKW-Bewegung Gedanken zu machen. Das Herausgeber*innen-Kollektiv Tresantis bringt hierzu Anregendes zusammen.

Der Weg der Klage war es nie. Ein großer Teil der Anti-AKW-Bewegung beruhte vielmehr auf Selbstorganisation und auf direkter Aktion an den Zufahrtswegen bis hin zu gelegentlicher Militanz an den Bauzäunen. Mit dem Ende 2015 erschienenen Buch „Die Anti-AKW-Bewegung“ hat das Schreib- und Herausgeber*innen-Kollektiv Tresantis jetzt einen druckfrischen, wichtigen Beitrag zur Geschichte und Praxis jenes Teils des anti-atomaren Protestes vorgelegt, der nicht Bestandteil der Eventindustrie der großen Campaigning-Strukturen aus Umwelt- und Naturschutzorganisationen oder Kapitalismus- und Lobby-kritischen Organisationen wie BUND, campact oder attac ist(1). Damit ist eine empfindliche Lücke zur Bewegungsgeschichte gefüllt, die hilft zu begreifen, was es heißt, gegen Atomkraft und gegen eine auf Nukleartechnik fußende Energiepolitik eingetreten und standhaft geblieben zu sein. Das anonyme Tresantis-Herausgeber*innen-Kollektiv umfasst laut Verlagswebsite „Querköpfe, die an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten eng mit dem Widerstand gegen Atomanlagen verbunden waren und sind.“

Es berichtet über „Geschichte und Perspektiven“ der Anti-Atom-Bewegung für den Zeitraum von den 1970er Jahren bis in die Gegenwart. Und eben diese vergangenen und gegenwärtigen Bewegungs-Strukturen und Impulse waren und sind bis heute geprägt von lebendiger, bisweilen auch reibungsvoller Vielfalt – standen gleichsam unter dem Tenor: „Nie zuvor waren die Mittel des Kampfes so unterschiedlich, umfassend und fantasievoll. Nie zuvor beteiligten sich so viele an Info- und Aufklärungsaktionen, strömten zu Demos, kämpften an Bauzäunen, besetzten Bauplätze und blockierten Transportwege.“ Eben diese Vielschichtigkeit der Bezüge von Akteur*innen und Mittel findet auch Ausdruck in dem knapp 400 Seiten starken Sammelband. Denn hier wechseln sich analytische und historische Artikel mit Zeitzeugenberichten ab. Gerade diese Mischung macht den Charakter eines Lesebuches aus, das die verschiedensten Standpunkte und Einschätzungen aufgreift, Bruchkanten mitdenkt und Entwicklungslinien sichtbar macht. So finden sich Berichte über illegale, aber trotzdem sehr folgenreiche Aktionen ebenso wie Texte über den politischen Horizont und die Perspektiven der Anti-AKW-Bewegung. Reimar Paul berichtet zum Beispiel über die heute nahezu vergessenen Debatten und Konflikte zwischen der Anti-AKW-Bewegung und den „Grünen“, die bereits mit der Gründung der Partei beginnen.

Das Buch berichtet über einen großen Zeitraum hinweg vom breiten Spektrum der Kämpfe, der Vielfalt der Protestformen – freilich mit einem Schwerpunkt auf militanten und auch illegalen Aktionen – und lässt damalige und heutige Protagonist*innen selbst zu Wort kommen. (more…)

Buchtipp: Linke amerikanischer Generationenroman

18. März 2014

9783608501162„Das zentrale Motiv von Jonathan Lethems linksradikaler Familiensaga ist die ständige Trennung der einzelnen Familienmitglieder, ganz so wie sich die Linken in ihren Gruppierungen und Parteien weltweit ständig streiten und spalten. Aber ebenso gibt es eine nicht aufkündbare Verbindlichkeit und Kontinuität – in der Linken ebenso wie in der Familie Zimmer.“ Jonathan Lethem führt die Leser_in in seinem Roman »Der Garten der Dissidenten« von den Kommunisten der 30er Jahre bis hin zu Occupy. Florian Schmid hat das Buch (Verlagswebsite) im ND rezensiert. Zur Buchbesprechung der „komplexe(n) historische(n) Aufarbeitung linker Geschichte“ (Schmid) bitte hier entlang.

Zum Tod von Stuart Hall (1932-2014)

11. Februar 2014

Stuart Hall (1932-2014), Quelle: Wikimedia Commons

Gestern starb Stuart Hall, Medienwissenschaftler, postkolonialer Kulturkritiker, Historiker und Anti-Rassismus-Aktivist im Alter von 82 Jahren. Der Guardian veröffentlichte einen ausführlichen Nachruf plus einer Reihe von älteren Beiträgen und Interviews.

Neben einer Liste seiner Werke finden sich auf der englischen Wikipedia Links zu Interviews und Videomitschnitten seiner Vorlesungen.

Karl Bosl in Cham abmontiert

30. November 2011

Wie die Süddeutsche Zeitung (sueddeutsche.de, 29.11.2011, 12:20) gestern berichtete und der Nachrichtendienst für Historiker verlinkte, hat der Stadtrat von Cham vergangene Woche beschlossen Karl Bosl (1908-1993) die Ehrungen durch seine Geburtsstadt abzuerkennen. Ummittelbar danach wurde das Straßenschild des nun ehemaligen Prof.-Karl-Bosl-Platzes abmontiert. Gleiches soll mit einer 50.000 Euro teueren Bronzebüste Bosls geschehen, die die Stadt 2003 aufgestellt hatte.  Zuvor hatte der Stadtrat den Stadtarchivar Timo Bullemer beauftragt, Vorwürfe zu prüfen, Bosl habe seine Rolle als Widerstandskämpfer während der NS-Zeit erfunden.

Bosl – Erneuerer der Bayerischen Landesgeschichte im Sinne einer Struktur- und Sozialgeschichte in den 1950er und 60er Jahren –  war seit 1930 Mitglied des Stahlhelm gewesen, im Mai 1933 in die NSDAP, in den NS-Lehrerbund und danach auch in die SA eingetreten. Der Historiker Matthias Berg verweist in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft darauf, dass Bosl zunächst keine aktive Rolle in den NS-Organisationen eingenommen habe, die Mitgliedschaft  sogar nach Wohnungswechseln einschlafen ließ. Nach seiner Promotion 1938 allerdings erwies sich Bosl als linientreuer Nachwuchsforscher und übernahm ein Forschungsprojekt des SS-Ahnenerbes zur Lehensgeschichte. Dass dem jungen Bosl keine Dozentur zuerkannt wurde, lag viel eher daran, dass das Kriegsende nahte, als an einer vermeintlich Widerstandstätigkeit, wie Bosl nach 1945 vorgab. Um eine Einstufung als ‚Mitläufer‘ zu verhindern, gab Bosl unter Eidesstatt an, er sei Mitglied des Ansbacher Widerstands gewesen. Zeugen oder Quellenbelege gibt es dafür keine. Im Gegenteil deuten die von Berg  untersuchten Akten auf eine ‚mustergültige‘ Wissenschaftlerkarriere und Vernetzung im NS-Wissenschaftsapparat hin, die vor allem über die Beziehung zu seinem Lehrer Karl-Alexander v. Müller ging.

Vgl. Matthias Berg, Lehrjahre eines Historikers. Karl Bosl im Nationalsozialismus, in: ZfG 59 (2011) 1, S. 45-63.

Geschichte als Graphic Novel: Tina Modotti – Eine Frau des 20. Jahrhunderts

25. September 2011

Tina Modotti in the 1920 film The Tiger's Coat.

Spätestens seit der Publikation von „Maus“, für die der Autor Art Spiegelman 1992 mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, sind Graphic Novels ein ernst genommenes und honoriertes Genre der Literatur. Spiegelman bewies, dass man auch in comicartiger Form Lebensgeschichten erzählen und dabei spielerisch Wissen vermitteln kann. Barbara Eder, die am Soziologischen Institut der Universität Wien zur Thematik promoviert, geht davon aus, dass sich das Medium Graphic Novel zur Erzählung einer Lebensgeschichte sogar besser eigne, da

die extrem brüchige Erzählform von Comics – mit den leeren Räumen zwischen den Bildern – einer Biographie, die nicht linear verlaufen ist, möglicherweise mehr entspricht als eine literarische Erzählung.

Der spanische Comiczeichner Ángel de la Calle scheint dies ähnlich zu sehen und wählte jene Form, um das bewegte und sagenumwobene Leben der politischen Künstlerin Tina Modotti nachzuzeichnen. Bereits im Jahr 2003 erschien der erste Teil der zweibändigen Graphic Novel auf Spanisch und erhielt einige Auszeichnungen. Nun wurde er von Timo Berger ins Deutsche übersetzt und, zusammengefasst als Doppelband, beim Rotbuch Verlag herausgegeben. (more…)

Biograph von Malcolm X gestorben

11. April 2011

Ein Nachruf auf Manning Marable, einem der führenden Vertreter der Black History.

Die Erinnerungen eines Wehmachtsdeserteurs

13. Mai 2010
Ludwig Baumann Gelöbnix 2008

Ludwig Baumann Gelöbnix 2008, Q.:Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Auf redblog gibt es seit ein paar Wochen in der Reihe „ohrgeräusche“ ein Interview mit dem Wehrmachts-deserteur und Friedens-aktivisten Ludwig Baumann zu hören.

Radio F.R.E.I. sprach mit Ihm anlässlich der Ausstellung „Was damals Recht war… Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“.

Howard Zinn gestorben

30. Januar 2010
Howard Zinn 2009

Howard Zinn 2009 (Wikimedia Commons, User B-Fest of Athens indymedia, CC Lizenz)

Der Historiker und politische Aktivist Howard Zinn starb mit 87 Jahren an einer Herzattacke. Zinn zählte neben Noam Chomsky zu den großen linken Intellektuellen in den USA.

Zinn war ein früher Gegner des Vietnam-Kriegs und engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung. „Seine Schriften veränderten das Bewusstsein einer ganzen Generation“, schreibt Chomsky über Zinn. Das bekannteste Werk Zinns ist das Buch „A People’s History of the United States“ (1980).

Siehe auch den Artikel auf kritische-geschichte.de

Ein Nachruf zu Lambsdorff

9. Dezember 2009

Stephan Stracke erinnert im Freitag an eine andere Seite von Otto Graf Lambsdorff.

Anarchismus und Umweltbewegung in der DDR. Ein Interview

13. November 2009

Die Zeitschrift Graswurzelrevolution führte im Oktober ein Interview mit Wolfgang Rüddenklau. Dieser war in den 1980er Jahren Redakteur der Umweltblätter und später des telegraph – wie mir als Wessi gesagt wird, die wichtigsten Opposi­tionsblätter in der DDR. Er ist außerdem Mitbegründer der Umweltbibliothek, die ein wichtiger Treffpunkt und ein Mobi­lisationsort der basisdemokratischen Oppositionsbewegung in der DDR war.

Das Interview vermittelt einen kleinen Eindruck über alternative politische Subkulturen in diesen Jahren. Der zweite Teil des Interviews erscheint im Dezember und dann hoffentlich auch wieder auf Linksnet.