Freilichtmuseum Ballenberg (Schweiz) – eine Kritik

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ballenberg_schafe

von Bernd Hüttner (Bremen)

Das Freilichtmuseum Ballenberg im Berner Oberland wurde 1978 eröffnet und ist das einzige relevante Freilichtmuseum zur ländlichen und Agrargeschichte in der Schweiz. Es ist fester Bestandteil der regionalen Tourismuswerbung und scheint – ähnlich wie das unweit gelegene Verkehrshaus der Schweiz in Luzern – fester Bestandteil des Narrativ der schweizerischen Nationalgeschichtsschreibung zu sein. Der Kanton Bern ist der größte der Schweiz und mit 13000 landwirtschaftlichen Betrieben deren wichtigster Agrarkanton. Insgesamt gibt es derzeit in der Schweiz noch 65.000 Bauernhöfe, von deren Flächen insgesamt ein Drittel als Alpwirtschaft gewertet werden.

Das nahe dem Brienzer See gelegene Ausstellungsgelände ist 66 Hektar groß und damit viermal so groß wie der durchschnittliche Schweizer Bauernhof. Es umfasst fast 100 Gebäude in 13 Hausgruppen. Die Ausstellungsgruppen des Freilichtmuseums, das sich in seinem Kurzführer „Schweizerisches Freilichtmuseum für ländliche Kultur“ nennt, sind nach den Regionen der Schweiz – wie etwa Jura, Mittelland, Tessin, Wallis, Ostschweiz – und deren Bauernhaustypen angeordnet. Ein Merkmal des Museums sind die über 250 regionsspezifischen Tiere.

Das ganze Museum ist stark von der Haus- und Siedlungsforschung geprägt und dadurch auf die bäuerliche Ökonomie fokussiert. Themen außerhalb der Agrarwirtschaft werden nur nachrangig thematisiert, es gibt zwar eine Schmiede, ein Sägewerk und einen Schulklassenraum, die ganze Vielfalt ländlicher Ökonomie wird aber nicht wirklich dargestellt. Das weite und diffuse Feld der „Kultur“ wird in deutschen Freilichtmuseen prominenter und anschaulicher behandelt.

Allgemein kann die kritische Auffassung formuliert werden, dass Ballenberg, wie das Museum auf seiner Internetseite selbst auch schreibt, die Schweiz so präsentiert,“ wie sie einmal war“ und so zu einer Verklärung der Verhältnisse beiträgt. Es fehlt Schmutz, Mühsal und Leid, Gestank und Lärm, dadurch wird das Bild einer Idylle transportiert, anstatt Aufklärung über materielle Kultur zu leisten. Dass die hier als fehlend kritisierten Tatbestände schwierig darzustellen sind, ist unter den Arbeits- und Industriemuseen und den ländlichen Freilichtmuseen seit Jahren diskutiert worden, in Ballenberg ist aber eine Beschäftigung mit diesem Problem kaum zu bemerken.

Wegen der Größe des Geländes ist mittlerweile ein sinnvoller Besuch aller Hausgruppen an einem Tag nicht möglich, worauf das Museum mit der Empfehlung für zwei- und vierstündige Rundgänge reagiert. Die Eintrittspreise sind moderat. Die Beschilderung zwischen den verstreuten Siedlungsgruppen ist gut und prinzipiell viersprachig, die Hinweise bei den einzelnen Hausgruppen sind dürftig, hier ist man zumindest auf den schriftlichen Kurzführer angewiesen.

Literatur

Huwyler, Edwin (Hrsg.): Freilichtmuseum Ballenberg,, 200 S., 32 EUR, Haupt Verlag, Bern 2008

Jahrbuch des Freilichtmuseum Ballenberg, erschienen sind bislang die Ausgaben 1996, 1998, 2000 und 2003

Museumsführer, Brienz 2004, 12 EUR

Kurzführer, 1 EUR

Internet:

Website des Freilichtmuseums: www.ballenberg.ch

Artikel „Ballenberg“ im Historischen Lexikon der Schweiz: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8311.php

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2 Antworten to “Freilichtmuseum Ballenberg (Schweiz) – eine Kritik”

  1. weblog.histnet.ch » Blog Archive » Kritische Geschichte: Geschichtsblog des Monats Oktober 2009 Says:

    […] Ergänzt werden diese Hinweise durch kritische Würdigungen von Museen und Ausstellungen, etwa zum Schweizer Freilichtmuseum Ballenberg oder zur Ausstellung “Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“. Bei letzterem ist in den […]

  2. Sierra Popplewell Says:

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